Wenn der Algorithmus nicht mehr hilft
Vielleicht hast du es selbst schon gemerkt: Du postest, investierst Zeit in Hashtags, Reels oder Storys – und trotzdem bleibt die Reichweite dürftig. Kein Like, kein Kommentar, kein neuer Lead. Was früher mal als „organisch“ galt, fühlt sich inzwischen wie ein Friedhof an. Und die Zahlen bestätigen das: Meta und TikTok spielen Beiträge ohne Werbebudget kaum noch aus. Was bleibt, ist oft ein Gefühl der Abhängigkeit. Doch genau das muss nicht sein.
In diesem Beitrag schauen wir auf Strategien jenseits der gängigen Plattformen und nehmen dabe besonders Solo-Selbstständige, kleine Teams und Gründer:innen in den Fokus.
Viele dieser Wege sind nicht neu. Aber sie gewinnen gerade jetzt an Bedeutung, weil sie auf echter Verbindung statt auf Algorithmen beruhen, die täglich ihre Regeln ändern.
Warum du dich unabhängig machen solltest
Social Media war lange Zeit das Versprechen: kostenlos sichtbar sein, viral gehen, organisch wachsen. Aber diese Rechnung geht immer seltener auf. Stattdessen hat sich ein Bezahlmodell etabliert. Wer nicht investiert, wird kaum noch gesehen. Das betrifft besonders diejenigen, die nicht tausende Euro monatlich in Ads stecken können oder wollen.
Dazu kommt: Du bist auf gemieteter Fläche unterwegs. Deine Follower gehören nicht dir, sondern der Plattform. Wenn morgen dein Account gesperrt wird, was bleibt dir dann? Genau hier lohnt sich ein Perspektivwechsel. Denn es gibt Wege, bei denen du wieder selbst bestimmst, wer dich sieht, hört oder liest.
Newsletter statt Newsfeed
Eine eigene E-Mail-Liste ist wie ein direkter Draht zu deinem Publikum. Er verbindet dich mit Menschen, die sich bewusst entschieden haben, von dir zu hören.
Warum das so mächtig ist? Studien zeigen: Der Return-on-Investment bei Newslettern liegt bei etwa 40:1. Kaum ein anderer Kanal liefert so konstant Ergebnisse. Und: Du baust eigene Reichweite auf. Kein TikTok-Trend kann dir diese Kontakte wegnehmen.
Wenn du dein Business ernst nimmst und direkte Kundenkontakte aufbauen möchtest, brauchst du neben der Technik noch einige mehr. Ein alter Hut, der allerdings noch immer angesagt ist und vermutlich auch noch in vielen Jahren zu den Basics gehören wird: Schreib regelmäßig. Werde persönlich. Teile nicht nur Angebote, sondern auch Gedanken, Fragen, Erfahrungen. Du wirst überrascht sein, wie viele Menschen das wirklich lesen und sich zurückmelden.
Content, der suchbar ist
Während Social Media auf Sichtbarkeit im Moment setzt, funktioniert SEO über Dauer. Ein guter Blogartikel, eine hilfreiche Anleitung oder ein relevantes Whitepaper kann dir jahrelang neue Kontakte bringen – ganz ohne zusätzliche Werbung.
Dabei geht es zwar auch um Keywords, aber vor allem sollen Texte, Videos und anderer Content Antworten und Lösungen liefern. Was suchen deine Kund:innen wirklich? Welche Fragen, Zweifel oder Probleme haben sie, bevor sie dich finden? Wenn du es schaffst, mit deinen Inhalten diese Fragen zu beantworten, wirst du sichtbar. Nicht heute vielleicht – aber dafür morgen oder übermorgen. Wenn du weiter am Ball bleibst, wirst du auch in einem Jahr noch gefunden.
Tools wie Ubersuggest oder AnswerThePublic können dir helfen, Themen zu finden. Und wenn du deine Inhalte mit einer klaren Struktur, guter Lesbarkeit und echter Relevanz aufbaust, wirst du automatisch gefunden, auch ohne Algorithmusglück.
Sichtbarkeit über andere Netzwerke
Sichtbarkeit entsteht nicht nur auf deiner Website. Sie entsteht auch, wenn du dich in bestehende Netzwerke einbringst. Gastbeiträge auf Blogs, Interviews in Podcasts, Artikel in Fachmagazinen oder Einträge in Branchenverzeichnissen sind oft unterschätzte Hebel.
Vor allem Letzteres ist einfach umzusetzen: Recherchiere Verbände, Online-Guides oder regionale Plattformen, die dein Angebot listen könnten. So wirst du in einem Kontext sichtbar, der bereits Vertrauen genießt.
Noch wirkungsvoller: persönliche Kooperationen. Gibt es andere Solopreneur:innen oder kleine Teams, die eine ähnliche Zielgruppe ansprechen wie du – aber mit einem anderen Angebot? Dann bietet sich eine Zusammenarbeit an. Denkbar sind etwa gegenseitige Empfehlungen, gemeinsame Events und geteilte Inhalte. So erreichst du neue Menschen ohne Umweg über Social Media.
Messenger-Kanäle als unterschätzter Raum
WhatsApp-Kanäle oder Discord-Communities entwickeln sich zu spannenden Alternativen. Gerade weil sie persönlicher sind und oft besser wahrgenommen werden. Ein Broadcast über WhatsApp hat Öffnungsraten, von denen du bei Instagram nur träumen kannst.
Seit WhatsApp 2023 offizielle Kanäle eingeführt hat, wird das Tool auch für kleinere Unternehmen interessant. Du kannst dort gezielt Updates teilen, Feedback einholen oder sogar Contentformate entwickeln. Zu den Möglichkeiten gehören Mini-Kurse, wöchentliche Impulse und Community-Fragen.
Wichtig ist dabei: Du solltest diesen Kanal nicht wie einen Werbeautomaten nutzen. Stattdessen nutze du ihn moderat und setzt relevante Posts ab. Lieber ein Impuls pro Woche, der anregt als fünf Nachrichten, die nach Eigenwerbung riechen.
Offline geht auch: Guerilla, kreativ und menschlich
Nicht alles, was wirkt, muss digital sein. Gerade weil so vieles online passiert, haben kreative Aktionen im echten Raum heute fast wieder einen Überraschungseffekt. Ob das ein QR-Code auf dem Produkt ist, der zu einer witzigen Aktion führt, ein Flashmob in der Innenstadt oder ein Pop-up-Event mit echter Begegnung, damit kannst du Aufmerksamkeit und echte Nähe schaffen.
Ein Beispiel, das zeigt, wie kreative Ideen ohne Werbebudget große Wirkung entfalten können, kommt von der brasilianischen Brauerei Ambev. Sie entwickelte eine Aktion namens “Passagem de cerveja”. Das heißt übersetzt so viel wie „Fahrkarte gegen Bier“. Die Idee: Wer eine Dose „Skol“-Bier kaufte, konnte den Strichcode auf der Dose einscannen und erhielt dafür ein kostenloses Ticket für den öffentlichen Nahverkehr in São Paulo.
Die Kampagne zielte bewusst auf das junge, urbane Publikum, das ohnehin beides kombiniert, Bier und Bus. Der Clou: Die Aktion wurde nicht als Werbespot verbreitet, sondern über Social Media, lokale Medienberichte und Mundpropaganda. Das Resultat war eine Welle von Berichterstattung in Brasilien und über die Grenzen hinaus.
Aber was macht diese Aktion so bemerkenswert? Sie war überraschend, sozial anschlussfähig und hatte eine klare Botschaft: „Feiern und dabei sicher nach Hause kommen.“ Eine einfache technische Umsetzung (Barcode + digitale Plattform) verband Produktkauf mit gesellschaftlichem Nutzen. Das erzeugte Reichweite und Sympathie ohne klassischen Werbedruck.
Für kleine Teams oder Solo-Selbstständige muss es nicht gleich eine Großaktion sein. Auch eine handgeschriebene Karte an deine ersten 50 Kund:innen, ein Mini-Event im Co-Working oder ein unerwarteter Gutschein im Briefkasten können viel bewegen. Es muss nicht groß sein, sondern überraschen.
Unternehmerisches Denken statt Werbedruck
Viele der hier genannten Wege kosten weniger Geld, erfordern aber mehr Gedankenarbeit. Genau das ist der Kern, des Konzepts des Entrepreneurial Designs von Prof. Günter Faltin. Gründung als kreative, gestalterische Aufgabe. Nicht möglichst schnell skalieren, sondern mitdenken, vordenken, anders denken.
Wenn du dich auf diesen Weg machst, wirst du merken, dass die besten Ideen nicht unbedingt aus der Marketingabteilung kommen, sondern oft aus deiner eigenen Geschichte stammen. Wenn du bereit bist, im Kontakt mit deiner Zielgruppe Dinge anders als andere zu tun, ist nicht nur der Überraschungseffekt auf deiner Seite. Traust du dir zu, weniger nach Vorlagen zu arbeiten und mehr eigene Formate auszuprobieren? Dann trau dich! Ob das ein ungewöhnlicher Newsletter-Stil ist, ein interaktives Format auf deiner Website oder ein Format im Messenger ist, du darfst kreativ sein. Nicht, um originell zu wirken, sondern um dich mit deinen (potenziellen) Kunden auf einer persönlichen Ebene zu verbinden.
Worauf du jetzt achten solltest
Du musst Social Media nicht abschwören. Aber du solltest dich nicht darauf verlassen. Wenn du langfristig sichtbar bleiben willst, dann frage dich: Wo kannst du Reichweite selbst aufbauen, statt sie zu mieten? Wo kannst du echten Kontakt herstellen, nicht nur Klicks und Likes?
Starte mit dem guten, alten Newsletter. Optimiere deine Website für relevante Suchanfragen. Vernetze dich aktiv,digital wie analog. Und probiere vielleicht sogar etwas völlig anderes aus. Denn du brauchst nicht mehr Reichweite, sondern Kontakt zu den richtigen Mensche. Und solche Kontakte entstehen oft dort, wo du dich zeigst, wie du bist.