Neue Tools, neue Denkmuster
Im Umgang mit KI-gestützten Anwendungen ist genau das gefragt. Viele Tools generieren Vorschläge, priorisieren Informationen und schlagen nächste Schritte vor. Wer damit arbeitet, muss erkennen können, welche Logik diesen Vorschlägen zugrunde liegt und ob sie zur eigenen Aufgabe, zum eigenen Ziel passen. Das verlangt die Bereitschaft, gewohnte Denkmuster zu verlassen, was nicht jedem gleich gut liegt.
KI-Systeme wie ChatGPT liefern längst nicht mehr bloß Informationen. Sie wirken als Ko-Autor:innen, strukturieren Probleme, setzen Schwerpunkte, beeinflussen Formulierungen. Die Fähigkeit, das zu erkennen und in die eigene Bewertung einzubeziehen, wird Teil unternehmerischer Souveränität.
Wichtig ist, sich nicht ausschließlich auf die Vorschläge der KI zu verlassen, sondern immer wieder bewusst zu prüfen: Welche Argumente übernehme ich gerade – und aus welchem Grund? So entsteht ein aktiver Umgang mit dem Tool, statt blind alles abzunicken, was die KI ausspuckt. Abgesehen davon, dass es sehr, sehr bequem ist, den Output von KI-Tools einfach zu übernehmen, wirkt sich die Bequemlichkeit negativ auf die eigenen geistigen Fähigkeiten aus.
Die Wirkung ist messbar
Wie stark KI unser Denken prägt, zeigt eine Studie des MIT Media Lab. Dort wurden drei Gruppen miteinander verglichen. Die erste arbeitete ohne KI. Die zweite verwendete ChatGPT auf Basis einer einfachen Fragestellung. Die dritte nutzte zusätzlich eine strukturierte Anleitung zur Argumentationsentwicklung.
Das Ergebnis: Beide KI-Gruppen übernahmen nicht nur Begriffe, sondern auch Argumentationslogiken, Prioritäten und sogar emotionale Färbungen aus den Vorschlägen der KI. Je länger die Interaktion andauerte, desto stärker ähnelten die Texte dem Stil der Maschine. Die dritte Gruppe – mit Anleitung – formulierte strukturierter und überzeugender. Doch genau das führte dazu, dass ihre Argumentationen besonders stark die von ChatGPT vorgegebenen Mustern nachahmten.
Im Vergleich dazu formulierte die Kontrollgruppe freier, individueller, oft mit unerwarteten Wendungen. Ihre Texte wirkten roher und weniger aufpoliert, in sprachlicher Hinsicht, aber sie zeigten mehr Vielfalt und Kreativität im Denken. Die Studie legt also nahe: KI-gestützte Unterstützung stärkt zwar die rhetorische Klarheit, kann aber die inhaltliche Offenheit einschränken. Gerade dort, wo neue Ideen gefragt sind, kann das zum Problem werden.
Für Gründer:innen ergibt sich daraus eine klare Konsequenz. Wer KI-Tools nutzt, übernimmt unbewusst oft mehr als gewollt: Denklogik, Tonalität, Entscheidungsstruktur. Das kann produktiv sein, solange man es bewusst tut. Genau das ist der Punkt. Die eigene Urteilskraft nicht aus der Hand zu geben, auch wenn der erste Impuls überzeugend wirkt.
Beispiel aus der Praxis
Eine Gründerin entwickelt ein neues Schulungsformat. Zur Inspiration nutzt sie ein KI-Tool. Die Vorschläge sind umfangreich, die Gliederung schnell erstellt. Doch beim Lesen wirkt vieles beliebig. Sie erkennt: Die Perspektive der KI passt nicht zu ihrem Ziel. Erst als sie sich erneut auf ihre eigene Fragestellung konzentriert, wird der Kern der Idee sichtbar. Das Tool hat geholfen, aber nicht geführt.
Ein anderes Beispiel: Ein kleines Team bereitet eine Präsentation vor. Die KI generiert mehrere Formulierungsvorschläge. Anfangs spart das Zeit, doch beim Vergleich der Texte zeigt sich: Alle klingen ähnlich, eher allgemein als spezifisch. Erst im Austausch im Team entsteht ein klarer Standpunkt. Die KI bleibt Impulsgeberin, aber das Ergebnis entsteht durch Reflexion.
Haltung statt Reflex
Kognitive Flexibilität bedeutet, Veränderungen wahrzunehmen, zu prüfen und einzuordnen. Viele KI-Anwendungen sind leicht zu bedienen. Doch der produktive Einsatz erfordert mehr, nämlich Aufmerksamkeit, Urteilskraft und die Fähigkeit, auch unter neuen Bedingungen selbst zu entscheiden.
Auch Teams profitieren davon. Wer gemeinsam Routinen hinterfragt, wer offen mit Unsicherheiten umgeht, wer Feedback gezielt sucht, schafft ein Klima, in dem kognitive Beweglichkeit wachsen kann. In der Praxis heißt das: Tools werden gemeinsam getestet, Entscheidungen reflektiert, Denkwege transparent gemacht. Manchmal hilft es, die Perspektive zu wechseln oder bewusst konträre Positionen einzunehmen. Mit dieser spielerischen Methode lassen sich eingefahrene Grenzen im Denken verschieben und neue Ansätze finden.
Entscheidungen unter veränderten Bedingungen
Manche Situationen wirken auf den ersten Blick klar und entpuppen sich beim genaueren Hinsehen als komplex. Neue Tools beschleunigen Entscheidungen, verändern aber gleichzeitig die Grundlagen, auf denen sie beruhen. Ein Beispiel: Du arbeitest mit einem KI-basierten Planungstool, das dir Vorschläge zur Ressourcenverteilung liefert. Zunächst erscheinen die Empfehlungen schlüssig. Doch beim Abgleich mit deinem Projektkontext merkst du: Ein zentraler Risikofaktor wurde vom System nicht berücksichtigt, weil er in der Datenbasis fehlt. In solchen Momenten zeigt sich, wie wichtig kognitive Flexibilität ist. Du benötigst das fachliche Know-How und die Fähigkeit, den KI-Output auf Richtigkeit und Stimmigkeit zu überprüfen und ggf. zu korrigieren.
Die Studie des MIT zeigt: Bereits kurze Interaktionen mit KI beeinflussen, wie wir Argumente gewichten und wie sicher wir uns in unserer Einschätzung fühlen. Teilnehmende, die mit ChatGPT arbeiteten, formulierten zurückhaltender, bewerteten vorsichtiger und nannten seltener ambivalente Aspekte. Ihre Texte waren sprachlich glatter, aber weniger offen für alternative Perspektiven. Doch genau das ist im unternehmerischen Alltag entscheidend. Wenn KI-Vorschläge zu eindeutig wirken, solltest du innehalten. Welche Sichtweise fehlt gerade? Welche Frage wurde vielleicht nicht gestellt?
Kognitive Flexibilität bedeutet in solchen Fällen, ganz genau hinzuschauen. Das heißt, andere Quellen prüfen, gezielt eine Gegenposition entwickeln oder gezielt eine Annahme zu hinterfragen. So entsteht ein ausgewogenes Urteil und du schulst, erhältst und verbesserst deine Fähigkeit, dich mit neuen Situationen aktiv auseinanderzusetzen.
Zukunftskompetenz mit Substanz
Für Gründer:innen wird kognitive Flexibilität zu einer konkreten Arbeitsgrundlage. Sie entscheidet mit darüber, ob du in einer Situation agieren oder nur reagieren kannst. Ob du in der Lage bist, neue Impulse einzuordnen, oder ob du dich von ihnen treiben lässt. Gerade wenn KI-Tools Entscheidungen vorbereiten, Abläufe strukturieren oder scheinbar überzeugende Antworten liefern, brauchst du die Fähigkeit, kritisch zu hinterfragen und dich nicht zu früh festzulegen.
In der Praxis zeigt sich das zum Beispiel bei der Einführung neuer Anwendungen im Team. Wer einfach übernimmt, was Tools vorschlagen, spart vielleicht Zeit, doch zum Preis der freien und überlegten eigenen Entscheidung. Wer hingegen bereit ist, Muster zu hinterfragen, testet bewusster, hinterfragt Kriterien und hört genauer hin, wenn ein Tool zu eindeutige Ergebnisse liefert. Dieser bewusste Umgang schafft Qualität.
Kognitive Flexibilität sorgt dafür, dass du deinen Kurs immer wieder überprüfen kannst – ohne bei jedem Trend die Richtung zu wechseln. Sie unterstützt dich darin, auch unter Zeitdruck Entscheidungen zu treffen, die wirklich zu deiner Strategie passen. Und sie bewahrt dir die Fähigkeit, Ambivalenz auszuhalten, statt sie vorschnell aufzulösen. Nicht jedes Ergebnis muss sofort eindeutig sein. Manchmal liegt die unternehmerisch klügere Entscheidung im Abwarten, im Neujustieren, im zweiten oder dritten Blick.
Genau deshalb gehört kognitive Flexibilität zur Grundausstattung unternehmerischen Denkens. Sie hält deinen Kompass stabil. Das gilt erst recht, wenn sich das Umfeld so rasant verändert wie gerade jetzt.