Die eigenen Ressourcen analysieren
Unerwartet fällt bei dir der Groschen. Du blätterst deine Personalübersicht durch und denkst laut: „Wollen wir mal schauen, was wir eigentlich schon haben?“
Die anderen sind irritiert. Dann kommt Bewegung ins Team. Warum in die Ferne schweifen? Gibt es nicht schon jemanden intern, der das Potenzial mitbringt? Die Talente im eigenen Haus zu identifizieren und zu fördern ist ein strategischer Schritt, der die Personalsituation verändern kann.
Fachkräftemangel heißt einerseits, dass Menschen fehlen. Andererseits fehlt es Entscheider:innen auch am Blick für Entwicklungsoptionen im eigenen Haus. Wer das eigene Team im Blick behält, erkennt schneller, wo Stärken verborgen liegen und wo gezieltes Weiterlernen neue Perspektiven schafft.
Entwicklung statt Ersatz
Die Idee ist nicht neu, aber sie wird selten konsequent umgesetzt: Statt Lücken zu stopfen, können Unternehmen in vorhandene Kompetenzen investieren. Das gelingt in erster Linie über systematische Personalentwicklung.
Skill-Mapping ist ein Instrument, das dabei hilft, Kompetenzen sichtbar zu machen, unabhängig von Stellenbezeichnungen oder formalen Qualifikationen.
Der erste Schritt ist eine sorgfältige Analyse:
- Welche Fähigkeiten sind für bestimmte Aufgaben tatsächlich nötig?
- Welche davon sind bereits im Team vorhanden?
- Und welche könnten entwickelt werden, wenn das Umfeld stimmt?
Statt nur auf Zeugnisse oder Abschlüsse zu schauen, rückt Skill-Mapping das Können in den Fokus – also das, was Menschen tatsächlich tun können, oft auch über ihre aktuelle Rolle hinaus.
Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin arbeitet offiziell im Empfang. In der Praxis koordiniert sie Termine, löst Konflikte am Telefon, erkennt Engpässe im Ablauf. Im Mapping tauchen dadurch neben „Telefonie“ auch Kompetenzen wie Prozessdenken, Krisenkommunikation oder Priorisierung auf. Diese Einordnung macht sichtbar, dass sie weit mehr mitbringt als ihre Stellenbeschreibung vermuten lässt.
Solche Karten sind kein Selbstzweck. Sie helfen dabei, Entwicklungsgespräche gezielt zu führen. Wer weiß, wo Stärken liegen und wo noch Raum ist, kann Weiterbildungsangebote passgenauer wählen, Rollen überdenken oder neue Schnittstellen schaffen. Wichtig ist, dass das Mapping gemeinsam geschieht. Nicht als Bewertung, sondern als Einladung zur Reflexion: Was kann ich? Was interessiert mich? Wo will ich hin?
Gute Skill-Mapping-Prozesse binden Teams ein, statt sie zu sortieren. Sie setzen auf Eigenverantwortung und paralle auf Begleitung. Sie geben Orientierung – gerade in Zeiten, in denen Rollen sich verändern und Karrieren weniger geradlinig verlaufen.
Praxisbeispiel 1
Eine medizinische Fachangestellte bringt Organisationstalent, Menschenkenntnis und ein gutes Gespür für Abläufe mit. Statt eine externe Praxismanagerin zu suchen, wird sie schrittweise in die Rolle eingeführt. Sie besucht Weiterbildungen, bekommt Coaching und wächst hinein.
Praxisbeispiel 2
In einer ambulanten Einrichtung fehlte eine spezialisierte Pflegekraft. Statt zu suchen, wurde eine erfahrene Kollegin über sechs Monate in kleinen Modulen weiterqualifiziert. Die Weiterbildung war arbeitsbegleitend, eng verzahnt mit Praxisreflexion und Supervision. Das Ergebnis: Eine passgenaue Besetzung, kein Wechsel, keine lange Einarbeitung. Und eine Mitarbeiterin, die sich gesehen fühlte.
Weiterentwicklung bindet Mitarbeiter und stärkt die Fachexpertise
Ja, es stimmt, diese Art der Weiterentwicklung braucht Zeit. Aber sie hat einen entscheidenden Vorteil: Sie stiftet Bindung. Zudem spart sie langfristig Kosten. Die Bereitschaft, sich einzubringen, steigt, wenn Menschen verstehen, warum sie lernen und was sie dadurch gewinnen.
Es lohnt sich, genauer hinzusehen. Wer Skill-Mapping nutzt, erkennt, was fehlt und - vielleicht noch wertvoller - was sich entwickeln lässt.
Unsichtbares Potenzial sichtbar machen
Viele Talente bleiben unentdeckt, weil sie in stillen Rollen wirken. Sie übernehmen Verantwortung, ohne darum zu bitten. Sie entlasten Kolleg:innen, ohne es anzukündigen. Und sie fragen nach, wenn etwas nicht rund läuft. Diese Menschen sind kein Geheimtipp, sie sind die tragende Struktur vieler Teams. Doch weil sie nicht laut auftreten, geraten sie beim Thema Nachbesetzung oft aus dem Blick.
Ein Gespräch, ein Perspektivwechsel, ein ernst gemeintes Angebot zur Weiterentwicklung kann den Ausschlag geben. Es geht nicht darum, jeden Mitarbeitenden in eine neue Rolle zu drängen. Es geht darum, gezielt zu fragen: Wo möchtest du dich weiterentwickeln? Und was brauchst du dafür?
Diese Art des Führens braucht Zeit. Sie verlangt echtes Interesse und die Bereitschaft, Veränderungen zu planen und zu begleiten. Aber sie verändert etwas Grundlegendes: Sie zeigt, dass Menschen keine Ressourcen sind, sondern Teil einer Entwicklung.
Weiterbildung wirkt – wenn sie eingebettet ist
Gute Weiterqualifizierung ist Teil einer unternehmerischen Strategie. Unternehmen, die systematisch in Lernprozesse investieren, bauen internes Wissen auf und stärken die innere Beweglichkeit des Teams. Und genau diese Beweglichkeit kann dazu beitragen, die im aktuellen Fachkräftemangel konkurrenzfähig zu bleiben.