Ein Beitrag von unserem Mentor Einkauf

Geheimsache Schlüsselprozess

Es gibt Prozesse in der Herstellung und Entstehung eines Produktes, die müssen im eigenen Haus bleiben. Entweder, weil niemand anderer in der Lage ist, diesen Prozess durchzuführen ODER weil niemand anderes auf die Idee gebracht werden soll, einen spezifischen Prozess-Schritt so durchzuführen, wie Sie ihn durchführen können. Hintergrund hierbei ist eine goldene Regel aus der Business-Strategie, die besagt, dass man niemals und unter keinen Umständen Schlüsselprozesse aus der Hand geben sollte. Ein Schlüsselprozess ist nämlich deshalb ein Schlüsselprozess, weil er einem Unternehmen entweder einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen kann, oder es in die Lage versetzt, diesen Wettbewerbsvorsprung langfristig zu wahren. Ein Schlüsselprozess ist somit quasi DAS Alleinstellungsmerkmal, welches ein Unternehmen überhaupt in die Lage versetzt, sich gegen die Wettbewerber erfolgreich durchzusetzen. Schlüsselprozesse hütet man wie seinen Augapfel. Man hält sie so geheim, wie nur irgend möglich und gibt sie unter keinen Umständen leichtfertig aus der Hand!

Die Qual der Wahl

Von obiger Ausnahme abgesehen kommt es in produzierenden Betrieben allerdings immer wieder mal zu der Situation, dass man als Unternehmer vor die Wahl gestellt wird, ob man eine Tätigkeit bzw. einen Prozessschritt im eigenen Haus durchführen, oder lieber extern vergeben sollte. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten „make or buy“ - Entscheidung. Also: machen (selbst machen) oder kaufen (extern vergeben).

Kapazitätsengpass oder strategische Entscheidung?

Dabei können Ihnen die folgenden zwei ganz typischen „make or buy“-Szenarien begegnen:

Szenario 1:

Sie haben einen Kapazitätsengpass und müssen prüfen, ob Sie einen Teil Ihrer Arbeit auslagern, um sich Luft zu verschaffen. Sie kommen mit Ihren terminlichen Verpflichtungen also in Verzug, weil Sie mehr zu tun haben, als Sie in der Lage sind, in der Ihnen gegebenen Zeit abzuarbeiten. Es entsteht an irgendeiner Stelle Ihrer innerbetrieblichen Prozesskette ein Kapazitätsengpass (der sogenannte „bottleneck“). Dadurch geraten Sie insgesamt in einen Lieferverzug und sind nicht mehr in der Lage, die terminlichen Verpflichtungen gegenüber Ihren Kunden einzuhalten.

Szenario 2:

Kostendruck seitens Ihrer Kunden oder seitens des Marktes im Allgemeinen zwingt Sie dazu, zu prüfen, ob es wirtschaftlicher für Sie sein würde, einen bestimmten Arbeitsschritt extern zu vergeben. Es handelt sich hier also nicht um eine kurzfristige Engpass-Situation, sondern um eine strategische Entscheidung mit der Zielsetzung, möglichst kostenoptimal zu produzieren.

Schaffung zusätzlicher Kapazitäten durch Fremdvergabe

Sollten Sie einen Kapazitätsengpass haben, sollte es Ihr vornehmliches Ziel sein, diesen schnellstmöglich aufzulösen. Denn wenn Sie Ihren Lieferterminzusagen nicht mehr nachkommen, werden sich das Ihre Kunden nicht lange gefallen lassen. Unzufriedene Kunden wandern ab. Und ein einmal verlorener Kunde wird sich nur sehr, sehr schwer davon überzeugen lassen, Ihnen jemals nochmal eine weitere Chance zu geben. Es muss also hier Ihre oberste Zielsetzung sein, so schnell wie möglich wieder termingerecht liefern zu können. Und das werden Sie nur schaffen, wenn Sie sich wieder freie Kapazitäten schaffen. Den Engpass beseitigen. Dies erreichen Sie, indem Sie bevorzugt solche Produkte, Artikel, Bauteile oder Materialien von außen beziehen, deren Auslagerung die höchste Entlastung der jeweiligen Engpasseinheit mit sich bringt.

Beispiel:

Einer Ihrer Lackierer hat sich dem Arm gebrochen und Sie saufen in Ihrer Lackiererei ab? Die Aufträge laufen nicht mehr wie gewohnt innerhalb von drei oder vier Arbeitstagen durch die Lackiererei. Alles braucht momentan doppelt oder dreifach so lange. Sie könnten das jetzt sozusagen aussitzen und warten, bis Ihr Lackierer wieder fit ist. Aber tun Sie das nicht! Ihre Kunden werden diese Geduld nicht aufbringen! Sie erwarten von Ihnen pünktliche Lieferung! Egal wie! Geben Sie stattdessen einen Teil der Lackieraufträge an Lackierereien, die Sie kennen und zu denen Sie Vertrauen haben. Selbst wenn Sie Ihre ursprünglich kalkulierten Kosten damit nicht mehr deckeln können, tun Sie es trotzdem. Lieber mal ein paar Aufträge mit Verlust abschließen, als wertvolle Kunden dauerhaft zu verlieren und Ihren Ruf als zuverlässigen Partner zu ruinieren. Das setzt allerdings voraus, dass Sie auch stets einen Partner des Vertrauens zur Hand haben, auf den Sie im Notfall ausweichen können, wenn Sie einen Kapazitätsengpass haben. Vernetzen Sie sich also frühzeitig. Halten Sie Ausschau nach vertrauenswürdigen Partnern.

Fremdvergabe als Maßnahme zur Kostenreduzierung

Bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen entscheidet der bessere Preis darüber, was zu tun ist. Können Sie einen spezifischen Prozess eben einfach nicht so günstig abwickeln, wie ein externer Zulieferer, dann macht es betriebswirtschaftlich keinen Sinn, diesen inhouse abzubilden. Ausnahme sind natürlich wie eingangs erwähnt Schlüsselprozesse, bei welchen es ausschließlich darum geht, den mit ihnen einhergehenden Wettbewerbsvorsprung nicht zu riskieren.

Ansonsten besteht Ihre „make or buy“-Analyse darin, die Kosten des Fremdbezuges Ihren Fertigungskosten gegenüber zu stellen. Das kann im Ergebnis dazu führen, dass die Kosten des Fremdbezuges deutlich unter denen der Eigenfertigung liegen. In diesem Fall ist der Fremdbezug zu favorisieren. Andersherum könnte ebenso herauskommen, das die Kosten des Fremdbezuges deutlich über denen der Eigenfertigung liegen. In jenem Fall ist natürlich die Eigenfertigung vorzuziehen. Es kann allerdings auch herauskommen, dass es preislich keinen allzu großen Unterschied macht, ob Sie den Job inhouse erledigen oder extern vergeben. In diesem Fall entscheiden dann ausschließlich qualitative Aspekte darüber, was zu tun ist.

Die Kosten des Fremdbezuges lassen sich recht einfach ermitteln: Sie fragen beim Zulieferer an und bitten um ein entsprechendes Angebot. Wie aber lassen sich die Kosten bei Eigenfertigung korrekt ermitteln? Die Bezugsgröße, um die es hierbei geht, sind die sogenannten „Variablen Stückkosten“. Um die Variablen Stückkosten korrekt zu ermitteln, ist zuvor die in Frage kommende Produktionsmenge zu klären, die sogenannten „Selbstkosten“ sind gemäß der Vollkostenrechnung zu ermitteln und es ist abzugrenzen, welchen Anteil am Ergebnis die Fixkosten haben. Am Ende stehen zwei Beträge im Raum. Und der Günstigere der beiden entscheidet dann eben über das weitere Vorgehen.

Fazit

Die „make or buy“-Analyse ist ein probates Mittel, um Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchzuführen. Ebenso kommt die Entscheidung über „make or buy“ bei Kapazitätsengpässen zum Tragen. In beiden Situationen sollten Sie zweifelsfrei die richtige Entscheidung treffen können, was korrekterweise zu tun ist. Sollten Sie mehr zum Thema „make or buy“ erfahren wollen, melden Sie sich gerne für ein kurzes Coaching bei unserem Experten für den Einkauf.

Zur Komponente: Mentor Einkauf

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