Stereotype und zusätzliche Anstrengungen für den Erfolg
Um es einmal vorsichtig zu formulieren: Bestehende Stereotype können dazu führen, dass Frauen weniger ernst genommen und ihnen größere Steine in den Weg gelegt werden. Sie haben es schwerer, ihre Ideen und Visionen erfolgreich umzusetzen und müssen oft zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um ihre Fähigkeiten und ihr Potenzial zu beweisen.
Men only? Manchmal schon.
Ein zentrales Problem für Frauen in der Startup-Szene (und in anderen Bereichen) ist der erschwerte Zugang zu Finanzierungen und Ressourcen. Ferner können Netzwerke und Mentoring-Programme, die für den Erfolg in der Startup-Welt entscheidend sind, für Frauen weniger zugänglich sein. Ein wesentlicher Grund mag sein, dass die Strukturen von Netzwerken und Mentoring-Programmen häufig von Männern dominiert werden. Ob es in Anbetracht dessen wirklich sinnvoll ist, ein Gegenprogramm aufzubauen und rein von Frauen geführte Verbindungen und Vereinigungen zu gründen, sei dahingestellt. Wünschenswert wäre generell eine gleichrangige Koexistenz der Geschlechter - ob männlich, weiblich oder divers.
Mütter mit Fußfesseln und schweren Rucksäcken unterwegs
Ja, es gibt sie, die Väter, die in Elternzeit gehen. Doch bundesweit betrachtet sind es nur rund 10 Prozent, die mehr als zwei Monate (!) beanspruchen. Nach acht Wochen Windeln wechseln geht es für die meisten Väter zurück in den Job. Dagegen stehen mehr als 45 Prozent Mütter mit Kindern unter 6 Jahren, die in Elternzeit sind. In den meisten Partnerschaften bleibt es nach wie vor an der Frau hängen, Familie und Haushalt zu managen. Wir wollen nicht pauschalieren, doch von einer gleichwertigen Verteilung von Verantwortung und Zeitaufwand für die gemeinsame Familie kann deutschlandweit nicht die Rede sein.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft ist in Deutschland nicht einfach. Wenn Mütter Karriere machen wollen, stehen sie vor enormen Herausforderungen, die wie Fußfesseln wirken können. Oft haben Mütter zusätzlich mit Vorurteilen in Bezug auf ihre Fähigkeiten zu tun, unternehmerisch denken und handeln zu können.
Die meisten Frauen sind Tag für Tag subtilem und weniger subtilem Druck ausgesetzt, der sie dazu drängt, sich zwischen ihrer Rolle als Mutter und ihrer unternehmerischen Leidenschaft zu entscheiden. Die familiäre Verantwortung und die vielen alltäglichen Verpflichtungen, die wie ein viel zu schwerer Rucksack permanent auf ihnen lastet, können so viel Energie rauben, dass an eine Selbstständigkeit gar nicht zu denken ist. Hier ist nicht nur die Erziehung und Pflege von Kindern gemeint, sondern auch der Umstand, dass es vor allem Frauen sind, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Das alles kostet extrem viel Zeit und Kraft, die dann für eine berufliche und persönliche Selbstverwirklichung fehlen.
Chancen für Frauen in der Startup-Szene
Trotz dieser Herausforderungen erleben Frauen in der Startup-Szene auch Chancen und positive EntwicklungenVo. Es gibt einen wachsenden Fokus auf die Wertschätzung von Diversität und Inklusion, der zu einer verstärkten Unterstützung auch für Frauen führt. Startups, die mit eher traditionellen Strukturen am Markt sehen, bemerken zunehmend, wie nützlich und vorteilhaft ein vielfältiges Team ist. Manche bemühen sich aktiv darum, Frauen verstärkt in die Führungsebene zu bringen. Und natürlich gibt es inzwischen längst Startups, in denen ein wunderbarer Teamspirit herrscht, bei dem das Geschlecht überhaupt keine Rolle spielt.
Es ist schwer über die Ausprägung zu sprechen, die Frauen in der Startup-Welt verursachen, ohne in Stereotype zu verfallen. Vielleicht lässt es sich so formulieren: Wenn Frauen ihre besonderen Stärken und Perspektiven einbringen, schlägt sich dies beispielsweise in frauen- und familienfreundlichen Strukturen und in sozialen Unternehmenszielen nieder. Als weiterer Schwerpunkt wären die Themen Inklusion und Nachhaltigkeit zu nennen. Hier einmal eine kleine Auswahl von Firmen, die von Frauen gegründet wurden:
- Selfapy ist eine Online-Plattform für psychotherapeutische Kurse, die von drei Frauen gegründet wurde: Nora Blum, Farina Schurzfeld und Kati Bermbach.
- Original Unverpackt ist ein Geschäftskonzept, bei dem Kunden Lebensmittel überwiegend in selbst mitgebrachte Behälter abfüllen können. Gegründet wurde die Firma von Milena Glimbovski.
- Westwing ist eine Plattform für Wohn-Accessoires, die von Delia Lachance ins Leben gerufen wurde.
- Bei Tandemploy ging es um Jobs, die im Timesharing-Modell funktionierten. Inzwischen entwickelt das Team rund um die Gründerinnen Jana Tepe und Anna Kaiser Software im Personalbereich.
Empowerment und Maßnahmen für mehr Chancengleichheit
Um die Chancengleichheit für Frauen in der Startup-Welt zu verbessern, können individuelle Empowerment-Strategien eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören Hard Facts und Soft Facts wie etwa die Stärkung von Führungsqualitäten und Selbstvertrauen. Unterstützende Netzwerke und Mentoring-Programme verbessern die Kontaktstrukturen und helfen unter anderem dabei, passende Angebote zu finden, die etwa in den Bereichen Strategie- und Persönlichkeitsentwicklung den Unterschied machen können. Allerdings reichen diese individuellen Empowerment-Maßnahmen nicht aus, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Solange die institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen unverändert bleiben, bleibt der dauerhafte Erfolg aus. Durch die Implementierung von Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt, inklusiven Unternehmenskulturen und transparenten Bewerbungs- und Beförderungsprozessen können Barrieren abgebaut und Chancengleichheit gefördert werden.
Du hast es selbst in der Hand
Zwar fehlen doch durchschlagende politische und gesetzliche Maßnahmen, um Diskriminierung zu bekämpfen und gleiche Möglichkeiten für alle Geschlechter sicherzustellen. Doch eine inklusive Zukunft in der Startup-Welt ist mehr als wünschenswert. Bis dahin ist noch viel zu tun: Das Bewusstsein für Ungerechtigkeit und Ungleichheit gilt es zu bilden, Vielfalt, Chancengleichheit und familienfreundliche Rahmenbedingungen sollten alltäglich sein - um nur das Augenfälligste zu nennen. Am besten fängst du bei dir selbst an und machst dich stark für Chancengleichheit und Vielfalt in jedwede Richtung. Denn genauso wie die unzähligen kleinen und großen Fußangeln, Haken und schweren Rucksäcke die Lebenswirklichkeit von vielen Frauen mal mehr, mal weniger stark belasten, erleichtert jede einzelne helfende Hand, jede kleine oder große Maßnahme den Alltag. Am Ende des Tages geht es nur gemeinsam.