Rund und satt, wie schön ist das
Das Marketingmonster grunzt zufrieden, denn es geht ihm fantastisch. Firmen sind abhängig von ihm und füttern es unentwegt. Schließlich wollen sie ihre Umsätze steigern und Gewinne maximieren. Aus allen Ecken der Wirtschaft kommen sie gelaufen, um das Marketingmonster zu betrachten, zu untersuchen und zu analysieren. Wissenschaftler und Gelehrte beschäftigen sich mit den Mechanismen des Marketings und bemühen sich, die Fähigkeiten des Monsters stets zu verbessern. Durch die ständige Fütterung mit Daten und Aufmerksamkeit ist das Marketing Monster dick und fett geworden.
Von der Angebots- zur Nachfrageökonomie
Marketing ist unverzichtbar, so die einhellige Meinung. Schließlich reicht es nicht, nur gute Produkte herzustellen. Sie müssen bekannt gemacht werden, anderenfalls finden sie keine Abnehmer. Der Teil des Marketings, der sich mit der Produktpräsentation in Onlineshops und Stores präsentiert, ist mit den Jahren zurückgegangen. Inzwischen hat sich die Schlacht um Käufer auf einen anderen Bereich verlagert. Die Rede ist vom Übergang der Angebots- zur Nachfrageökonomie.
Nachfrage erzeugen, wo keine ist
Es kommt offenbar darauf an, Nachfrage zu generieren, ja, sie regelrecht zu forcieren. Potenzielle Kunden sollen einen Mangel verspüren, wo vorher keiner war. In Lehrbüchern und schlauen Artikeln steht, dass das Problembewusstsein geweckt werden muss, um eine Problemlösung anbieten zu können. Und so kreieren Marketingagenturen unter einem enormen Aufwand Kampagnen, die ein Problem in den Mittelpunkt stellen, welches Verbrauchern bislang gar nicht bewusst war. Der Gedanke dahinter: Wird ein Problembewusstsein geschaffen, folgt der Wunsch nach der Lösung automatisch.
Marken, Image und Vertrauensbildung
Mit einer Marke verbinden Verbraucher ein bestimmtes Image. Anhand der Marke lässt sich Vertrauen bilden, welches über kaufen oder nicht kaufen entscheidet. Marketing-Profis, die in der Lage sind, Marken so zu entwickeln, dass Verbraucher ihr vertrauen, profitieren vom Marketingmonster. Sie können gut von dem künstlich erzeugten Problembewusstsein leben, schließlich bringen sie die Produkte ihrer Kunden an den Mann und die Frau. Der absatzorientierte Umgang mit dem Marketingmonster spült ihnen das Honorar in die Kassen. An dieser Stelle verkehrt sich der Grundsatz, den Günter Faltin in seinem Buch Kopf schlägt Kapital vertritt, ins Gegenteil. Beim Füttern des Marketingmonsters schlägt das Kapital den Kopf, nicht umgekehrt.
Im Marketing sind subtile Mittel erlaubt
Hoch bezahlte Marketingagenturen ziehen alle Register. Sie greifen tief in die Trickkiste, bedienen sich ästhetischer Grundsätze und nutzen erprobte und erfolgversprechende psychologische Ansätze. Kunden sollen Partner, Freund oder Vertraute werden. Sie verkleiden das Marketingmonster als kleine Schwester, großen Bruder oder Familienhund und verteilen kleine Aufmerksamkeiten – aber nur, wenn der Newsletter oder Social-Media-Kanal abonniert wird.
Soziale Netzwerke sind ein beliebter Spielplatz von Marketingmonstern. Die Spielflächen liegen voller leckerer Krümel, an denen sie sich endlos bedienen können. Kostenpflichtige Anzeigen helfen dabei, sich in Online-Freundeskreise einzuschleusen. Der Nutzen der Technologie liegt dabei auf der Hand. Cookies, die Marketingmonster selbstverständlich lieben, helfen dabei, Verhaltensmuster aufzuspüren und zur richtigen Zeit das richtige Angebot zu platzieren. Die gesammelten Daten machen das Marketingmonster schlau, es macht sich noch ein Stückchen mehr unentbehrlich.
Je nach Zielgruppe kann das Marketing Monster charmant und einschmeichelnd sein, lustig und laut oder informativ. Die Daten helfen ihm, Menschen zu verstehen, denn dann hat es die Macht die Angebote zur richtigen Zeit am richtigen Ort den richtigen Interessenten mit Kaufabsicht zu präsentieren. Das klingt doch eigentlich nach einer Gelddruckmaschine, oder nicht?
Marketing ist nicht per se schlecht
Marketing sollte aber per se hinterfragt werden. Wenn du mit deiner ausgereiften Business-Idee an den Markt gehst, wirst du die teure Materialschlacht im Marketing nicht gewinnen können. Günter Faltin sagt sinngemäß: Dich Hals über Kopf in einen solchen Kampf zu stürzen bedeutet zu verlieren. Wenn du dich mit den Waffen der Giganten messen willst, wenn du als David mit Goliaths Waffen kämpfen willst, hast du keine Chance.
Du musst dir die Frage stellen, ob es neben denen stark propagierten Marketingmethoden nicht bessere Alternativen gibt. Eines ist sicher, Goliaths Waffen passen nicht zu dir. Welche Waffen aber die richtigen für dich sind, gilt es herauszufinden.
Das Markenproblem
Wer heute Markenprodukte kauft, kauft vermeintlich Individualität und Identität. Doch ist das nicht widersinnig? Wie kann man durch die Anschaffung von Markenprodukten Individualität ausdrücken? Es ist praktisch das genaue Gegenteil. Die Marketingmaschine hat es geschafft, Verbraucher davon zu überzeugen, indem sie einen künstlichen Mangel suggerieren, der nur durch ein Markenprodukt beseitigt werden kann. Und genau hier liegt der Schlüssel, der das Tor zu den Waffen öffnet, die für Davids wie dich viel besser geeignet sind.
Lösungen für echte Probleme verkaufen sich ohne teures Marketing
Henry Ford, den Professor Faltin als Alptraum jedes Marketing-Experten bezeichnet, vertrat eine ganz klare Haltung. Jede Art von Reklame war ihm zuwider. Seine Argumentationskette lautete: Wenn es Unternehmen in erster Linie um den Profit geht, dann liegt der Fokus auf der Verkäuflichkeit eines Produkts. Die Nützlichkeit aber wird hinten angestellt. Schwächen von Produkten würden bei dieser Herangehensweise von ausgebufften Marketingtricks überdeckt und kompensiert werden. Das wiederum erzeugt Kosten, die Verbraucher am Ende bezahlen müssen. Die Preispolitik, die sich aus einem solchen Prozess ergibt, ist künstlich geschaffen. Sie richtet sich nicht nach dem echten Marktwert, sondern nach den Produktionskosten. Wer ein Produkt in diesem Kontext verkaufen will, schadet ihm in zweifacher Hinsicht. Das Produkt hat einen geringen Nutzen und einen höheren Preis.
Die hohe Differenz (=exorbitanter Gewinnaufschlag), die sich zwischen den reinen Kosten für die Erzeugung des Produkts und dem (künstlich aufgeblasenen) Verkaufspreis ergibt, ist deine Chance, dem Marketingmonster den Rücken zu kehren.
Gerechte Gewinnaufschläge: Gibt es sowas?
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die exorbitanten Ausschläge zwischen Herstellungskosten und Verkaufspreis schon früher ein Stein des Anstoßes waren. Der Schweizer Gottlieb Duttweiler mokierte diesen Sachverhalt. Zu seiner Zeit war es üblich, das Dreifache der Herstellungskosten zu verlangen. Duttweiler gründete 1925 das Unternehmen Migros, bei dem die Verkaufspreise erheblich niedriger waren als bei der Konkurrenz. Der Erfolg seines Geschäftskonzepts gab ihm recht.
Heute sind die Margen wesentlich höher als zu Duttweilers Zeiten. Manchmal wird das Zehnfache der Herstellungskosten verlangt, ein Ende dieser Entwicklung ist aktuell nicht in Sicht. Man ahnt, was dahintersteckt: Profitgier.
Sind 10 % Aufschlag genug?
Wirtschaftsgeschichtlich gesehen gab es die Vorstellung von gerechten Preisen. Ohne weiter ausholen zu wollen – viele weitere Details und Informationen findest du im Buch “Wir sind das Kapital“ von Günter Faltin – lässt sich über den dicken Daumen sagen, dass 10 % Aufschlag, mit Toleranz nach oben und unten, eine faire Größe wären. Dieser Wert soll dir zur Orientierung dienen, um zu erkennen, dass die heutige Aufschlagspraxis unverschämter Wucher ist.
Die Chance: Weniger ist fair
Die heutigen exorbitanten Gewinnaufschläge sind der Spielraum, in dem David seine Waffen findet. Du kannst ein Produkt mit einer besseren Qualität, einem transparenten Preis-Leistungs-Verhältnis und ohne großartige Marketing-Akrobatik an den Markt bringen und neue, faire Maßstäbe setzen. Praktische Beispiele findest du in der Teekampagne, in der Waschkampagne oder bei Ratiodrink. Weniger ist mehr, weniger ist fair. Du könntest mit einem qualitativ hochwertigen Produkt zu einem fairen Preis eine ganze Branche revolutionieren.
Doch ist es wirklich so einfach?
Die einfache Rechnung Qualität + fairer Gewinnaufschlag + Transparenz geht dennoch nicht immer auf. Verbraucher sind skeptisch und vermuten einen Haken.
Woran liegt es, dass das scheinbare Erfolgsmodell bestehend aus Qualität, gutem Preis-Leistungs-Verhältnis und Transparenz nicht greift? Die Antwort liegt in der Manipulierbarkeit von Verbrauchern. Was sich dahinter verbirgt und was die Abbruchkante der Qualität zu bedeuten hat, ist Thema in Teil 2.