Was bedeutet Cradle to Cradle eigentlich?
Wenn von Cradle to Cradle, kurz C2C, die Rede ist, ist eine konsequente Kreislaufwirtschaft gemeint. In diesem Kreislauf zirkulieren alle biologischen und technischen Ressourcen, die im Zusammenhang mit einem Haus stehen. Dies gilt für die Produktion von Materialien, über die Lieferung zur Baustelle bis hin zur Verarbeitung, Nutzung und Demontage. Nichts wird verschwendet. Das bedeutet, dass eingesetzte Materialien dem natürlichen Kreislauf zugeführt werden und technische Stoffe nicht auf den Müll gelangen, sondern kontinuierlich weiter genutzt werden.
Wie sieht eine Welt nach dem C2C-Prinzip aus?
In einer perfekten C2C-Welt gibt es keinen Müll. Ressourcen werden geschont, Materialien permanent in neuen Nutzungsverhältnissen verwendet. Damit dies gelingt, ist es natürlich notwendig, dass Produkte nach diesen Prinzipien geplant und entwickelt werden. Kleiner Spoiler vorweg: es gibt zwar schon ganz viele Theorien, Tests und Prototypen, aber nur ganz wenige praktische Lösungen, die bezahlbar sind.
Das Ziel von C2C-Produkten ist, dass alle eingesetzten Stoffe und Materialien ohne Qualitätsverlust dauerhaft nutzbar bleiben.Auf den Punkt gebracht bedeutet C2C folgendes:
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Rohstoffe werden so verwendet, dass sie später biologisch abgebaut werden können. So gelangen Sie erneut in den natürlichen Stoffkreislauf. Alternativ dazu werden eingesetzte Rohstoffe verlustfrei zu neuen Produkten verarbeitet.
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Im C2C-Kreislauf haben Gifte und umweltgefährdende Stoffe keinen Platz. Nichts belastet die Umwelt.
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Für die Produktionsprozesse werden erneuerbare Energien genutzt.
Nach diesen groben Maßgaben lassen sich Industrien und deren Prozesse optimieren, sodass entsprechend Öko-effektive Abläufe möglich werden. Statt wie bisher “von der Wiege bis zur Bahre” ein Material oder Rohstoff auszureizen und nach Benutzung zu entsorgen, wird er später an nachfolgende Produkte und Prozesse weitergegeben und erneut verwendet.
Dieses Vorgehen läuft konträr zu dem “Wiege-zur-Bahre”-Konzept und heißt deshalb analog “Wiege-zu-Wiege”.Die Idee stammt von Professor Dr. Michael Braungart und William McDonough, die sich an den Abläufen der Natur orientieren. Zwar sind Überproduktionen und auch verschwenderisches Vorgehen durchaus vorgesehen und möglich, doch Umweltprobleme dürfen sie nicht nach sich ziehen. Es gilt penibel, die stofflichen Kreisläufe zu beachten.
C2C für Entrepreneure und Unternehmen
Münzt man das C2C Konzept auf Firmen um, bedeutet dies, dass es vollständig geschlossene Stoffkreisläufe gibt. Firmen bringen Produkte hervor, die nach Gebrauch zum Beispiel demontiert und wieder zurückgegeben werden können. Die Firma verarbeitet sie zu neuen Produkten weiter. Dabei kommen erneuerbare Energien zum Einsatz.
Ein wichtiger Faktor für Unternehmen ist, dass sie bei der Entwicklung und Herstellung ihren Fokus in erster Linie auf die funktionale Konzeption eines Produkt legen. Denn in erster Linie muss es so konstruiert sein, dass die spätere Wiederverwertung möglich ist. Die Verlagerung des Schwerpunkts auf die Funktionalität hinsichtlich der No-Waste-Wiederverwendbarkeit zieht automatisch effiziente Abläufe nach sich. Das spart viel Zeit und Geld.
Wie weiter oben bereits erwähnt ist es Im Augenblick noch so, dass C2C Produkte in der Herstellung recht aufwändig sind und auch mit entsprechend hohen Preisen auf den Markt kommen. In diesem Bereich eröffnet sich ein weites Feld für kreative Entrepreneure, die zum Beispiel Alltagsprodukte, Baustoffe oder Fertighäuser durch die C2C-Brille betrachten.
Spannende Ideen für die Baubranche
In der Baubranche gibt es bereits einige vielversprechende Ansätze. Dies ist insofern besonders erwähnenswert, als dass die Baubranche einer der Hauptakteure ist, wenn es um die Erderwärmung geht. Bauen verbraucht Ressourcen und belastet die Umwelt, das ist ein großes Problem. Der NABU gibt konkrete Zahlen bekannt und konstatiert, dass die Herstellung von Baustoffen rund 8% der CO2-Emissionen in Deutschland verursacht. Dieser Ausstoß lässt sich in etwa mit einer Umweltbelastung vergleichen, die durch den jährlichen Flugverkehr deutscher Passagiere im Durchschnitt entsteht.
Fakt ist, dass bei einem typischen Bürogebäude nicht etwa Heizung oder Klimaanlagen den größten CO₂-Ausstoß produzieren. Stattdessen stellen Zement und die darin enthaltenen Bindemittel die größte Umweltbelastung dar. Weltweit gesehen verursacht die Baubranche rund 38 % aller CO₂-Emissionen. Die Hälfte davon entsteht bei der Herstellung der Baumaterialien. Das zeigt eine Studie des Weltwirtschaftsrats für nachhaltige Entwicklung. Anders ausgedrückt: Wäre die Zementindustrie ein Staat, sie läge an dritter Stelle hinter China und den USA. Das ist erschreckend und zeigt, wie groß das Einsparpotenzial ist.
Die Macher der Studie empfehlen dringend, bereits bestehende Gebäude besser zu nutzen, statt ständig neu zu bauen. Die starken Bau-Aktivitäten sorgen dafür, dass jeden Tag Wohnfläche in einer Größenordnung entsteht, die der Fläche von Paris entspricht. - das sind rund 105 Quadratkilometer täglich. Wo so viel CO₂ produziert wird, kann auch sehr viel eingespart werden und genau deshalb ist der C2C-Ansatz in der Bauwirtschaft so aussichtsreich und wichtig.
Neue Ideen braucht das Land
Natürlich ist es eine große Herausforderung. Doch es ist unumgänglich, dass wir die Bauindustrie nachhaltig und zukunftsfähig umbauen, wollen wir den CO₂-Ausstoß reduzieren und damit den Klimawandel verlangsamen. Wenn Konstruktions- und Abrissprozesse nach den Maßgaben der C2C-Kreislaufwirtschaft erdacht werden, lässt sich die Bauindustrie umweltfreundlicher gestalten.
Lässt sich ein ganzes Gebäude recyclen?
Die Bestandsbauten stellen ein echtes Problem dar, weil sie in der Vergangenheit selbstverständlich nicht nach C2C-Prinzipien errichtet wurden. Eine Immobilie nach ökologischen Kriterien und unter Berücksichtigung ökonomischer Faktoren abzureißen ist nur dann möglich, wenn sie im Vorfeld recycelbar errichtet wurde.
Ein Vorbild für ein recyclebares Gebäude ist das Braunstein Taphouse in Koege (Dänemark). Es handelt sich um ein Gebäude, das als Mikrobrauerei und Café, Veranstaltungs-und Besucherzentrum genutzt wird. Das Taphouse ist vollständig aus Holz errichtet und verfügt ausschließlich über mechanische Verbindungselemente. Auf Maler-und Tapezierarbeiten wurde verzichtet, so dass das spätere Recycling leichter durchgeführt werden kann. Der innovative Bau wurde für eine begrenzte Lebensdauer hergestellt, die Wiederverwertung wurde bereits am Reißbrett von Adept Architects berücksichtigt. Das Brauhaus ist ein tolles Anschauungsobjekt, über welches du dich hier informieren kannst.
Beton recyclen, statt neu bauen
So großartig der Ansatz des Taphouse auch ist, wir müssen unser Augenmerk auch darauf richten, wie sich Beton und anderes Baumaterial in Bestandsbauten umweltschonend und mit einem möglichst geringen CO₂-Abdruck recyclen lässt.
Ein Ansatz ist etwa, einer Mobile Brechanlage zu benutzen, in der die Bauabfälle vor Ort zerhackt und dann z. B. als Füllmaterial und Sauberkeitsschicht unter befestigten Wegeflächen eingebaut werden. Dieses Vorgehen reduziert Abfall und spart Geld, da der Abtransport und die spätere Lagerung komplett wegfallen. Eine Lösung wie diese ist streng genommen als Downcycling zu betrachten und nicht als Recycling, doch der Ansatz ist sinnvoll und spart Kohlendioxid ein.
Aus alt mach neu
Das Unternehmen Salzburg Wohnbau hat sich zum Ziel gesetzt, aus einem vorhandenen Gebäude ein neues zu bauen. Das Prinzip “Rückbau statt Abriss” kennzeichnet die Vorgehensweise dieser Firma. Alte Häuser sind demnach Quellen für Baumaterial und nicht zu entsorgender Bauschutt.
Beton zu recyceln ist ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit C2C. Eine Initiative Mit dem eingängigen Akronym CICO, das für “Circle Concrete” steht, nutzt den bestehenden Altbeton dazu, neuen Beton von hoher Qualität zu erzeugen. Die Schweiz zeigt sich hier als besonders innovativ, denn im Hochbau wird dort bereits ein Viertel Recyclingbeton verbaut. Allerdings sind die Akteure in der Baubranche sowie auftraggebende Firmen und Privatpersonen skeptisch. Viele sind nicht davon überzeugt, dass Recyclingbeton fest genug ist und dauerhaft hält. Um diese Annahme zu entkräften, gibt es verschiedene Normen, die Materialien prüfen und entsprechend kennzeichnen. So können Verbraucher sicher sein, dass Recyclingmaterial den technischen Anforderungen entspricht, die ihr Einsatz vorgibt.
Welche Kriterien Häuser erfüllen müssen, um den C2C-Anforderungen gerecht zu werden und warum der C2C-Gedanke für Entrepreneure so spannend ist, lest ihr im zweiten Teil.