Dieser Artikel erschien zuerst in der WIWO Gründer.

Von Günter Faltin

Bis vor nicht langer Zeit sah man den Gründer als Alleskönner. Vom Management über Marketing und Personalfragen, Arbeits-, Vertrags- und Steuerrecht bis zu Finanzierungsfragen und Rechnungswesen – über alles sollte er Bescheid wissen, um sein Unternehmen führen zu können.

Ich halte diese Sichtweise für überholt. Die schiere Menge allein führt schon zu Überlastung, Überforderung und damit zu Dilettantismus. Sehr anschaulich wird dies bei juristischen Problemen. Überblickswissen bringt im Grunde nichts. Jeder Fall hat eine andere Konstellation und muss von einem professionellen Juristen beurteilt werden. In einer hoch arbeitsteiligen Gesellschaft macht es keinen Sinn, ausgerechnet beim Gründer den Alleswisser vorauszusetzen. Nutzen wir die Arbeitsteilung – auch – und gerade beim Gründen.

Dieser Gedanke baut darauf auf, unternehmerisches Handeln unter zwei verschiedenen Aspekten, nämlich Entrepreneurship (Wie kommt das Neue in den Markt?) und Business Administration (Wie organisiere und verwalte ich ein Unternehmen?) zu betrachten. Heute sind beide Aufgaben derart umfangreich geworden, dass sie nur noch schwer von Gründern gleichzeitig zu erfüllen sind.

Konzept ausdenken, Partner finden, Komponenten koordinieren

Was heißt das konkret? Streichen wir einmal die konventionelle Sichtweise, dass ein Unternehmen ein Gebilde sein muss aus Räumen, Arbeitsplätzen und Mitarbeitern Die Frage, die wir uns – mit Schumpeter – stellen können, heißt vielmehr: Kann ich nicht aus bereits Vorhandenem etwas Neues zusammenstellen? Ob es dazu Räume braucht, Angestellte, welche Ressourcen auch immer, ist in diesem Moment noch eine völlig offene Frage. Die entscheidende Arbeit passiert im Kopf des Gründers.

Ein modernes, hoch arbeitsteiliges Wirtschafssystem stellt Vieles zur Verfügung, was man als Komponenten nutzen, aus denen man ein Geschäftsmodell zusammensetzen kann. Aus dem Baukasten, der uns zur Verfügung steht, und der täglich an Bauteilen und Varianten noch zunimmt, gilt es, neue Kombinationen oder effizientere Abläufe zu finden. Man kann in diesem Sinne den Gründer mit einem Komponisten vergleichen, der aus einem bekannten (Orchester-)Instrumentarium etwas Neues zusammensetzt.

In einem solchen Modell besteht die Aufgabe des Entrepreneurs darin, erstens ein Konzept, das aus Komponenten zusammengesetzt werden kann, auszudenken, zweitens die Partner zu finden, die diese Komponenten professionell anbieten, und drittens das Zusammenspiel der Komponenten zu koordinieren und zu kontrollieren. Die Gefahr, den Gründer mit einer Vielzahl von Anforderungen – eben jener betriebswirtschaftlichen, rechtlichen oder organisatorischer Art – zu überfordern, wird dadurch entscheidend geringer.

Meine Erfahrung ist: Professionalität ist wichtig. Es ist das zentrale Stichwort, wenn es um Komponenten geht. Stellen Sie nicht Freunde und Bekannte ein, jedenfalls nicht, wenn sie unerfahren und unzuverlässig sind. Professionalität einzukaufen ist teuer! Aber Unprofessionalität ist am Ende viel teurer. Sie bauen auf die Kompetenz anderer, und Sie müssen es auch. Sie brauchen die Professionalität anderer, weil Sie sich auf die Koordination, auf die Kombination der Komponenten beschränken. Wenn Sie sich Professionalität nicht leisten können, ist Ihr Entrepreneurial Design nicht ausgereift, es erwirtschaftet nicht ausreichend Erträge.

Das Komponentenmodell hat aber noch weitere Vorteile. Es ist bekannt – und in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben –, dass junge Unternehmen nach der Gründung mehrere typische Phasen wachsender Komplexität durchlaufen, in denen sie in Krisen geraten und nicht selten daran scheitern. Mittels Komponenten verringern sich die Gründungsrisiken wesentlich, denn der Gründer greift mit ihnen auf etablierte, routinierte Einheiten zu, die bereits mit großen, effizienten Betriebsgrößen und hoher Professionalität arbeiten. Auch profitiert er von deren Wissen. Das eigene Unternehmen kann wachsen, aber der vom Gründer selbst betriebene Kern bleibt klein – und damit überschaubar und bewältigbar: „Groß werden und dabei klein bleiben.“

Darüber hinaus hat dies für den Entrepreneur den wesentlichen Vorteil, dass er sich auf das Geschäftsmodell und seine Weiterentwicklung konzentrieren kann, statt sich im Tagesgeschäft der Unternehmensverwaltung – der Business Administration – aufzureiben. Das Einsetzen von Komponenten, man könnte sie auch eingekaufte Leistungspakete nennen, verändert das Problem der „Umsetzung“ des Geschäftskonzepts radikal. Und zwar quantitativ wie qualitativ. In den Komponenten ist die Umsetzung professionell delegiert. „Umsetzung“ reduziert sich auf die Kombination von Komponenten. Dies erhöht die (bisher geringen) Überlebenswahrscheinlichkeiten von Neugründungen ganz erheblich.

Hoch professionell trotz geringer Investitionen

Die Vorteile des Komponentenmodells sind enorm. Statt zum überarbeiteten Selbständigen zu werden, ermöglicht es dem Gründer, in Konkurrenz zu treten mit seinen markterfahrenen Mitanbietern. Es sind fast keine Investitionen erforderlich; damit entfällt die aufwändige Suche nach Kapitalgebern. Der Gründer arbeitet hoch professionell – und das von Anbeginn an. Variable Kosten treten im Grundsatz nur auf, wenn auch wirklich Bestellungen eingehen. Finanzierungsaufwand und Risiken reduzieren sich für den Gründer ganz erheblich. Im Vergleich zu den konventionellen Formen können Gründungen rascher, einfacher und professioneller (also mit besserer Qualität) erfolgen.

„Gründen aus Komponenten“ eröffnet so viel mehr Menschen als bisher die Chance, am Wirtschaftsleben aktiv teilzuhaben. Natürlich bleibt betriebswirtschaftliches Denken und Handeln notwendig, aber vieles davon wird durch die in den Komponenten eingebettete Professionalität der Dienstleister übernommen. Als Gründer müssen Sie an Ihrem Unternehmen arbeiten, nicht notwendigerweise in Ihrem Unternehmen. Die Vorstellung, dass der Gründer alles können muss, stammt aus dem letzten Jahrhundert, eigentlich noch aus dem vorletzten. Es ist an der Zeit, sie aufzugeben.

Dieser Artikel erschien zuerst in der WIWO Gründer.

Das Komponentenportal von Prof. Faltin: 

Im Komponentenportal der Projektwerkstatt finden Sie ein großes Angebot an Bausteinen, die Ihnen z.B. bei der Bewältigung betriebswirtschaftlicher oder organisatorischer Abläufe nützlich sind. Es sind die Bausteine, um ein Unternehmen aus Komponenten aufzubauen. So funktioniert es 

 

Prof. Faltin erklärt, warum ein Gründer nicht wissen muss, wie das Steuerrecht oder das Rechnungswesen funktioniert.

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