Warum zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab?
Schauen wir uns die zurückliegenden 30 bis 50 Jahre an stellen wir fest, dass unser Konsumverhalten aktuell auf einem Peak liegt. Der gesamte Einzelhandel fokussiert sich darauf, das Beste, das Billigste, das Größte oder Schnellste anzubieten. Es geht ums Geschäft, nicht aber um den Menschen. Das quittieren Konsumenten aktuell mit einer Abkehr vom gewohnten Verbrauchsverhalten.
Große Unternehmen wie Apple, adidas oder zooplus konstatieren als Gründe für den Rückgang des Einzelhandels in erster Linie das Internet, in zweiter Linie das wirtschaftliche Klima und in dritter Linie die gesunkenen Finanzmittel von Verbrauchen. Natürlich sind diese Faktoren ebenfalls zu berücksichtigen, doch der wichtigste Grund ist, dass sich das Wertesystem der Menschen grundlegend geändert hat.
Viel hilft viel? Nein. Mehr ist nicht unbedingt besser.
Die Gesellschaft hat erkannt, dass der kapitalistische Ansatz "mehr = besser” weder uns Menschen noch unserer Erde guttut. Das Gegenteil ist der Fall. Wir beuten die Erde bis zum Exitus aus, gehen sorglos bis inflationär mit unseren Ressourcen um, ignorieren Umweltbelange und konzentrieren uns darauf, ein möglichst profitables Geschäftsmodell zu betreiben, koste es, was es wolle. Der unerbittliche Wettkampf auf dem Markt sorgt für eine Flut einander überbietender Angebote, die Konsumenten nicht mehr überblicken können.
Ihre Reaktion darauf ist nach Auffassung von Mary Portas und anderen Experten ein verändertes Konsumverhalten, das nicht nur vorübergehend ist, sondern einen Paradigmenwechsel einleitet. Firmen müssen reagieren und sich auf die Wünsche und Forderungen der Verbraucher einstellen. In erster Linie soll es uns Menschen gut gehen und dies gelingt nur, wenn der Planet intakt bleibt. Wer diese beiden Aspekte in das Zentrum seines Tuns stellt, hat gute Chancen, Kunden zu halten und neue zu gewinnen. Kurz zusammengefasst heißt das: Die unbedingte Ausrichtung auf Gewinnmaximierung tritt zurück und stattdessen breitet sich eine Ökonomie der Freundlichkeit aus.
Was ist Kindness Economy?
Das Prinzip der Kindness Economy orientiert sich an wesentlichen Grundwerten wie Verständnis, Fürsorge und Respekt. Es geht um Freundlichkeit zu Menschen, zu unserer Umwelt und auch zu unserem Gewinn. Die Reihenfolge ist Absicht, denn zunächst haben Menschen Priorität und erst danach folgen die anderen Aspekte.
Also Grundlage eines gesunden Geschäfts in der Kindness Economy gilt die Verankerungen in den typischen Werten, die Menschen wichtig sind. Das bedeutet, dass die bisherigen Mechanismen des Konkurrenzkampfes, die sich auf “größer, schneller, billiger, glänzender, exklusiver” etc. ausrichten, nach und nach Platz für mehr mehr Kindness machen.
Mehr als ein Trend
Die neue freundliche Ökonomie ist viel mehr als eine theoretisch skizzierte Zukunftsperspektive. Tatsächlich hat sich während der Corona Pandemie abgezeichnet, dass sich Wirtschaft neu erfinden kann, wenn sie muss. Viele Betriebe präsentieren sich seitdem wesentlich kundenorientierter, sinnstiftend und radikaler mit Blick auf die Umwelt und die damit im Zusammenhang stehende Lebensrealität. Ein weiteres unübersehbare Signal der freundlichen Ökonomie zeigt sich darin, dass Verbraucher und Firmen nicht mehr allein auf technische DIN Norm schauen. Sie interessieren sich wesentlich mehr für die Hintergründe wie die Herstellungsbedingungen und Prozessketten. Dies drückt sich unter anderem auch in neuen Labels aus, die für Verbraucher mehr Transparenz bringen sollen und Firmen in die nachprüfbare Verantwortung nehmen.
An dieser Stelle ist der Paradigmenwechsel klar zu erkennen. Es geht nicht nur um den Preis, sondern immer mehr und die Herkunft, die Umwelt und auch die Firmenkultur. Hast du schon einmal etwas von B Lab Deutschland gGmbH gehört? Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation, die Ende 2020 gegründet wurde. Im Angebot sind Tools und Bildungsangebote, mit denen Firmen ihr Engagement für Umweltbewusstsein und Sozialbewusstsein umsetzen können. Dass eine Firma wie diese gegründet wurde, ist dem veränderten Verständnis von Ökonomie geschuldet.
B Lab ist kein Einzelfall. In Frankreich gibt es ein Netzwerk kleiner Geschäftslokale, das “Le Carillon” heißt. Im Fokus dieses Systems stehen die sozialen Beziehungen zwischen Bürgern und Bürgerinnen, den Geschäftsleuten und Obdachlosen. In Schaufenstern angebrachte Aufkleber machen auf die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen aufmerksam. Dazu gehören Essen und Trinken, Gesundheit, Hygiene und Kommunikation. Auf diese Weise gelingt es, Normalbürger mit Obdachlosen in Kontakt zu bringen, so dass neue soziale Verbindungen entstehen, die der gesamten Gemeinschaft zugutekommen.
Generation Z und Millennials konsumieren anders
Die nachkommenden Generationen konsumieren anders. Manche konsumieren weniger, dafür aber bedacht. Sie konsumieren umsichtig, setzen sich für eine Share Economy ein, wobei die Nutzung über den Besitz gestellt wird. Die Youth Economy Study hat zudem herausgefunden, dass neue Peer-to-Peer Sektoren entstehen, die abseits der gängigen Wirtschaftssysteme platziert sind. Die neue Generation schafft sich selbst die Frei- und Aktionsräume, die sie braucht, wenn die Wirtschaft es nicht selbst tut.
Es ist zudem zu beobachten, dass es einen Trend zu moralisch gutem und moralisch schlechtem Konsum gibt. Moralisch gut ist der Konsum von fair und nachhaltig produzierten Erzeugnissen, die in der Regel höhere Preise haben. Viele Menschen können sich diese Produkte aber nicht leisten, sodass der bewusste Konsum zumindest aktuell noch eine Frage des Geldes ist.
Tipp: Genau an dieser Stelle setzen Geschäftskonzepte an, die mit einem durchdachten Entrepreneurial Design an den Start gehen. Geschäfte mit einem ausgereiften Entrepreneurial Design bringen qualitativ hochwertige Produkte bzw. Dienstleistungen zu verhältnismäßig niedrigen Preisen unter Berücksichtigung von sozialen, nachhaltigen und fairen Aspekten an den Markt. Künstliche Verteuerungs-Faktoren wie Marketing, Zwischenhandel und Lagerhaltung werden ausgeschaltet, was zu einem wesentlich niedrigerem Preisgefüge beiträgt. Prof. Günter Faltin hat rund um das Thema der intelligenten Ökonomie mehrere Bücher geschrieben:
Reinschauen lohnt sich für dich, wenn du ein Unternehmen gründen willst oder bereits selbstständig bist. Auch erfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer werden viele nützlich Anregungen und Betrachtungen finden, die ihnen dabei helfen, ihr Business Schritt für Schritt im Sinne der Freundes-Ökonomie aufzubauen oder umzubauen.
Abstimmung der Füße und Finger
Verbraucher stimmen mit den Füßen bzw. mit dem Finger an der Maus ab. Sie bevorzugen Firmen, die ihre Bedürfnisse berücksichtigen und kaufen lieber da, wo sie sich persönlich gut betreut fehlen. Dafür nehmen sie unter Umständen eine längere Anfahrt in Kauf oder beschränken ihren Konsum auf einige ausgewählte Online-Shops, die ihren persönlichen Ansprüchen genügen.
Viele Verbraucher begannen in der Coronapandemie damit, zwangsweise Geschäfte vor Ort zu meiden und sich online nach Alternativen umzusehen. Dabei zeichnet sich ein Trend nach Geschäftsmodellen mit Direktvertrieb ab. Es steht einerseits die Bequemlichkeit der Online-Bestellmöglichkeit im Vordergrund, auf der anderen Seite aber auch die Produktqualität und die soziale Verantwortung. Wer direkt beim Erzeuger kauft, weiß, dass sein Geld auch den Erzeugern zugutekommt, die häufig transparent darüber informieren, wo und wie sie das Geld verwenden.
Ein gutes Beispiele für den Direktvertrieb ist zum Beispiel Crowdfarming. Es handelt sich hier um eine Plattform für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die Konsumierende direkt bei einem ausgewählten Betrieb bestellen können. Die Betriebe präsentieren sich mit einem eigenen Profil, erklären die Produktionsbedingungen und zeigen auch, welche Herausforderungen sie bewältigen müssen, um eine gute Ernte zu realisieren. Das schafft Vertrauen und zieht Kunden an. Weitere Beispiele für Firmen mit Direktvertrieb sind unter anderem die Teekampagne, Ratiodrink, ebuero.de und die Waschkampagne.
Werte beeinflussen Konsumverhalten
Es hat sich eine Verschiebung der Grundwerte ergeben, die Verbraucher zu einem veränderten Konsumverhalten führen. Der Preis ist immer noch wichtig, doch der faire Umgang mit Menschen – sei es mit Mitarbeitern, Lieferanten, Erzeugern oder Kunden – sowie der Umgang mit der Natur haben einen höheren Stellenwert erhalten. Zwar befinden wir uns noch in den Anfängen der Phase, in der Verbraucher die Unternehmensethik hinterfragen und es wird auch nicht von heute auf morgen geschehen, dass der alte Grundsatz "mehr ist besser" tatsächlich ausgedehnt hat. Dennoch hat der Wandel begonnen und er wird in Zukunft mehr Fahrt aufnehmen, weil die Millennials und die Generation Z die neuen Werte intensiver lebt und einfordert.